Wer als Werkzeug nur den Hammer kennt....

lege artis

Viele Kritiker der Vögel, einige Anwohner wie auch die Stadt Otterndorf vertreten die rechtsirrige Auffassung,
sie könnten darüber entscheiden, ob die Saatkrähen bleiben oder nicht.

Diese Frage stellt sich definitiv nicht, denn die Entscheidung ist bereits gefallen:

Teil 1: EU-Recht
Auf Vorschlag der Kommission, auf Beschluss des Ministerrates und unter Zustimmung des Europäischen Parlamentes
haben die gewählten Rechtsvertreter in Form der Vogelschutzrichtlinie 2009/147/EG bereits abschliessend fest gelegt,
dass die Saatkrähen unter Naturschutz stehen. Eine etwaige Änderung dieses Status ist nur auf EU-Ebene möglich,
Vorschläge dazu sind an die Kommission zu richten - derzeit sind keine derartigen Aktivitäten zu erkennen und auch
ernsthaft nicht zu erwarten - im Gegenteil, der zunehmende Flächenverbrauch durch Siedlungsbau und Verkehrsinfrastruktur
sowie insbesondere durch die zunehmende Intensivierung der Landwirtschaft, hier auf dem Gebiet der so genannten
nachwachsenden Rohstoffe, führen derzeit dazu, dass frühere Brachen wieder bewirtschaftet werden, Knicks geräumt und
Bäume, wo immer möglich, gefällt werden. Das europäische Parlament intensiviert daher den gemeinschaftlichen Naturschutz.

Teil 2: Deutsches Recht
Die vorgenannte Rechtsvorschrift 2009/147/EG stellt eine Richtlinie dar, deren Inhalt erst durch Transformation in nationales Recht
ihre Rechtskraft erlangt. Dieses ist geschehen in Form des Bundesnaturschutzgesetzes. Dort sind auch die Sanktionen bei Verstoss
gegen diese Rechtsvorschrift definiert. So stellt gem. § 44 Abs.1 Nr.3 und Nr.4 BNatSchG das Zerstören von Nestern oder der Standorte der
besonders geschützten Arten (dazu gehört Corvus frugilegus) eine Ordnungswidrigkeit i.S. § 69 Abs.2 Nr.3 dar und kann mit bis zu
50.000 EUR geahndet werden. Zu prüfen ist ferner, ob das Vorgehen vorsätzlich und/oder gewerbsmässig begangen wurde,
dann läge möglichrweise eine Straftat i.S. § 71 Abs. 1 BNatSchG vor und würde mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Wenn also z.B. ein forstwirtschaftliches Unternehmen gegen Bezahlung zwecks Gewinnerzielung die Nester artgeschützter Saatkrähen
entfernt, wäre diese Rechtsvorschrift anzuwenden. Eine Prüfung der Untersagung der Geschäftsausübung wegen fehlender charakterlicher Eignung
wäre im Wiederholungsfalle indiziert.

Allerdings weist das BNatSchG auch Befreiungen auf. § 67 Abs.2 BNatSchG besagt z.B. dass bei einer "unzumutbaren Belastung" bei der
Durchführung der Vorschriften - im vorliegenden Falle also dem Schutz der besonders geschützten Saatkrähen - auf Antrag Befreiungen erteilt werden können.

Die bescheidende Behörde ist im vorliegenden Falle die Untere Naturschutzbehörde, hier das Naturschutzamt des Landkreises Cuxhaven.
Hier sind allerdings strenge Maßstäbe in der Abwägung des Belange des Naturschutzes versus der Interessen möglicher Antragsteller zu stellen.

Ein einfaches "das passt mir nicht" reicht regelmässig nicht aus.

Zunächst ist fest zu stellen, wie denn die Belastung zu spezifizieren ist und wie sie quantitativ nach einem akkreditierten Messverfahren messbar ist. Sodann ist der Messwert auf einen rechtlich fest gelegten Grenzwert oder einen nach obergerichtlichen Urteilen in Analogieschluss heran zu ziehenden Grenzwert zu beziehen.
Ist ein Grenzwert nicht definiert, stellt sich die schwierige Frage "Was ist zumutbar ?" und vor allem "Wer beurteilt das ?".
Hier sind insbesondere folgende Parameter zu werten:

- Dauer der Exposition (z.B. Minuten, Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre)
- Zeitraum der Exposition (z.B. tagsüber, nachts (23.00-05.00 Uhr))
- Frequenz der Exposition (gleichförmig oder Einzelaktivität)
- betroffene Bevölkerungsgruppe (z.B. Kranke)
- Mögliche Schutzmassnahmen gegen die Exposition
u.v.m.

Das allein reicht aber nicht aus, denn ein gleicher Schalldruckpegel, gemessen in Dezibel, bedeutet noch lange nicht ein gleichartiges Schallempfinden
beim Menschen (praktisches Beispiel: Glascontainer bei Nacht: niedriger Schalldruckpegel, aber extrem störend; vorbeifahrende Eisenbahn: sehr hoher Schalldruckpegel, aber bedingt gewöhnungsfähig).

Ferner sind zur Beurteilung auch die Auswirkung auf die betroffene Natur zu beurteilen. Löst eine beantragte Massnahme eine "unzumutbare Belastung" wirklich dauerhaft oder verschiebt sie sie nur lokal oder temporär ? Ist das Überleben der Art gesichert oder gefährdet die beantragte Befreiung eine ganze Population und widerspräche damit den Grundsätzen des Naturschutzes ? Hier wiederum stellt sich die Frage, wie eine Population überhaupt definiert ist (Größe, räumliche Verteilung, Reproduktionsfähigkeit etc.). Praktisches Beispiel: Einzelgänger in der Tierwelt reproduzieren sich auch aus einem Paar (Bären), Schwarmfische (Heringe) und auch Koloniebrüter (Saatkrähen) reproduzieren sich nicht, wenn man einige wenige Paare übrig läßt......

Insbesondere sind Ausgleichsmaßnahmen kritisch zu hinterfragen und zu bewerten ( 100 qm begrünte Dächer ersetzen nicht 100 qm abgeholzten Wald).

Alle Parameter sind "gerichtsfest" zu definieren und zu bescheiden, wenn eine deratige, mögliche behördliche Befreiung einer rechtlichen Nachprüfung standhalten soll. Ferner ist eine derartige mögliche Befreiung zeitlich und räumlich und/oder auf eine bestimmte Anzahl von Tieren zu limitieren.

Alles in allem eine extrem schwierige Fragestellung....es sei denn, man lebt in Brasilien und sagt

"Regenwald ? Wieso Regenwald, hier wuchs doch schon immer Soja !"

An derartigen Fragestellungen bzw. deren Antworten lässt sich die "Kultur" einer menschlichen Kultur messen......

Tja, nach einer Denksekunde weiter zu button 11 und etwas staunen.